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Referat an «Experten-Dialog, Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung»
12. Januar 2005, Universität St.Gallen, Hörsaal B110

Über Nachteile, Risiken und Gefahren der Agro-Gentechnik zu sprechen ist nicht schwierig: Die Erfahrungen und Beweise für Gefahren und Risiken sind so vielfältig, dass die Zeit, darüber zu sprechen zu kurz ist. Aber es soll ja nur ein Input sein.

Erfahrungen im Ausland zeigen uns die Auswirkungen von Gentech in der Landwirtschaft auf das Ökosystem deutlich. Pollenflug, Resistenzen und Abhängigkeiten von Multis sind bekannt. Noch immer aber gibt es keine Langzeitstudien. Statt unsinnige Freilandversuche durchzustieren wie letzthin an der ETH Zürich, wäre es viel sinnvoller und ehrlicher, die schon jetzt laufenden grossflächigen kommerziellen Freisetzungen in den USA oder Südamerika wissenschaftlich zu begleiten. Doch die Gentech-Industrie weigert sich, wohl aus gutem Grund. So ist noch nicht möglich, jetzt schon die Auswirkungen auf die kommenden Generationen zu kennen. Jedenfalls ist die Agro-Gentechnik ein Risiko. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, wollen wir dieses Risiko für uns und für die Mitwelt eingehen?

Auf jeden Fall sollten wir aufhorchen, wenn wir hören, dass Mäuse, die mit gentechveränderter Soja gefüttert werden, eine veränderte Leberfunktion haben oder wenn wir hören, dass Forscher im Darm von Menschen, die vorher Gentech-Soja gegessen hatten, solche Fremdgene gefunden haben. Ein Teil davon wurde sogar von den Darmbakterien aufgenommen.

Wieso ist Agro-Gentech gefährlich oder birgt Gefahren, die wir mit einer gentechfreien Landwirtschaft möglichst verhindern sollten? Die spezielle Risikoqualität der Gentechnologie beruht darauf, dass die Risikoquelle
  • lebt
  • sich selbst vermehren kann
  • sich auf andere Organismen ĂĽbertragen kann
  • ĂĽber Jahre unbemerkt bleiben kann
im Schadenfall nicht rĂĽckholbar ist.

Zum Risiko in der Landwirtschaft im Alltag
In der kleinräumigen Schweiz findet eine vielfältige Nutzung der Ackerflächen statt. Die Bauern halten Fruchtfolgen ein: Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais, Raps und Gras wechseln im Anbau ab. Und die Grösse der Äcker ist im internationalen Vergleich klein. Insgesamt existiert eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, was auch für die Natur vorteilhaft ist.

In diesem kleinräumigen Umfeld ist ein Nebeneinander von Gentech-Landwirtschaft und gentechfreier Landwirtschaft kaum möglich. Die Felder der biologisch und integriert produzierenden Bauern könnten durch Pollenflug von gentechnisch veränderten Pflanzen entscheidend verunreinigt werden. Nicht nur für Bio- und IP-Suisse-Betriebe, sondern auch für unsere einheimische Fauna und Flora könnten sich einschneidende Auswirkungen ergeben. Eine vom WWF Schweiz in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass in einem Gebiet wie der Schweiz ein Nebeneinander nicht praktizierbar ist. Gentechfreie und GVO-Landwirtschaft können nur mit riesigem Aufwand nebeneinander koexistieren. In der Praxis würde das bedeuten, einen Abstand von bis zu zwei Kilometern einzuhalten – ein Unding in der Schweiz.

Gentechnikrisiken fĂĽr die Umwelt
Die Natur lässt sich nach dem heutigen Wissensstand durch Agro-Gentechnik nicht verbessern, die Agro-Gentechnik bringt sie höchstens noch mehr durcheinander – mit unabsehbaren Folgen für die fein aufeinander abgestimmten natürlichen Prozesse.

Zahlreiche neue Studien belegen Risiken für die Umwelt. Dazu gehören:
  • die unkontrollierte Verbreitung von eingefĂĽhrten Genen aus Gentech-Pflanzen via Auskreuzung auf Wildpflanzen
  • die Auswilderung der transgenen Kulturpflanze mit dem Risiko der Verdrängung anderer Arten
  • die Resistenzentwicklung bei Unkräutern, weil dasselbe Pestizid ĂĽbermässig und während langer Zeit gespritzt wurde.Damit verbunden ist ein erhöhter Einsatz von Pestiziden sowie umweltbedingte Ertragseinbussen bei Gentech-Sorten.
  • die Gefährdung der Artenvielfalt. Untersuchungen belegen, dass eine Gefährdung der Biodiversität sowie die Schädigung von NĂĽtzlingen durch den Anbau von Gentech-Nutzpflanzen eintreten kann. Diese Aspekte betreffen die Schweizer Landwirtschaft und die Agrarpolitik im zentralen Anliegen, ökologische AnsprĂĽche der Gesellschaft zu erfĂĽllen.
Zum Schadenszenario gehört das Heranwachsen von Superunkräutern. Seit sieben Jahren wachsen zum Beispiel herbizidresistente Gentech-Pflanzen auf den Feldern Kanadas und der USA. Diese Pflanzen sind unempfindlich gegen gewisse Pestizide, die Unkräuter vernichten. Eigentlich hätten die Gentech-Pflanzen den Verbrauch an Unkrautvertilgungsmitteln reduzieren und die Landwirtschaft umweltverträglicher machen sollen. Doch jetzt müssen die Bäuerinnen und Bauern wieder mehr und giftigere Pestizide spritzen. Wegen der Gentechnik entstehen aus zwei Gründen immer mehr schwer kontrollierbare Superunkräuter:

1995 wurden in Kanada transgene, herbizidresistente Rapssorten zugelassen. Der grossflächige Anbau der herbizidresistenten Raps-Sorten bewirkte, dass herbizidresistenter Durchwuchsraps (das heisst Rapspflanzen, die als Folge des Überlebens von Rapssamen in Folgekulturen wieder heranwachsen) und mehrfach resistenter Raps (das heisst Rapssorten, die nach der Übertragung von Genen aus anderen Sorten neue und damit mehrfache Resistenzen gegen Unkrautvertilgungsmittel ausgebildet haben) in Kanada je länger je mehr nachweisbar sind. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der Verbrauch an Unkrautvertilgungsmittel wegen Gentech-Pflanzen stark ansteigt, da es immer mehr erforderlich wird, die neu entstandenen «Superunkräuter» mit Unkrautvertilgungsmitteln zu bekämpfen – ein Teufelskreis.

In Nordamerika werden viele Gentech-Sorten angebaut, die alle gegen dasselbe Herbizid (Glyphosat der Firma Monsanto) resistent sind. Verschiedene Pflanzen haben mittlerweile eine Resistenz gegen das Totalherbizid entwickelt. Das fĂĽhrt dazu, dass die US-Farmer wieder mehr und giftigere Unkrautvertilgungsmittel spritzen.

Nebst der Resistenzproblematik, den Superunkräutern und neuen Abhängigkeiten von der Agroindustrie kommt es zur Ausbreitung der fremden Genen durch Pollenflug oder auch durch verunreinigtes Saatgut.

Weiter zeigt ein dreijähriger Feldversuch in Grossbritannien, der die ökologischen Auswirkungen des Anbaus von Gentech-Nutzpflanzen untersuchte, dass der Anbau von herbizidresistentem Sommerraps und herbizidresistenten Zuckerrüben Vögel und Insekten in einem deutlich höheren Ausmass gefährdet als bisher angenommen. Insgesamt gilt, dass durch den Einsatz dieser Gentech-Pflanzen mit den dazugehörigen Breitbandherbiziden die Vielfalt der Kräuter auf dem Acker deutlich abnimmt und damit viele Futterpflanzen für Insekten, Schmetterlinge und Vögel ausfallen. So werden beispielsweise ein Viertel weniger Schmetterlinge an den Feldrändern gefunden, wenn herbizidresistenter Raps angebaut wird. Im Versuch wurden Rapspflanzen selbst in einer Entfernung von 26 Kilometern noch mit transgenem Pollen bestäubt. Darüber hinaus tritt Raps über Jahre hinweg wegen dem Überleben seiner Samen wieder auf Feldern auf, was zu einer starken Verunreinigung der Ernte führen kann.

Ich will mit einem Forschungsresultat der Syngenta schliessen. Eine Untersuchung kam im Herbst 2004 zum Schluss, dass der Wert des Bodens von Landwirten, die Gentech anpflanzen, innert weniger Jahre um 17 Prozent abgenommen hat. Es ist also auch ein wirtschaftlicher Unsinn, auf eine Technik mit kurzfristigen Profitaussichten und mit unzähligen Risiken zu setzen. Die Chance für die Schweiz und für Europa besteht in einer gentechfreien Landwirtschaft, die gesunde Nahrungsmittel produziert, einen Beitrag zur Artenvielfalt leistet und nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht.

Ich glaube, all dies sollte einer Diskussion Boden geben. Ich freue mich auf Fragen und den anschliessenden Austausch.  
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