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Rede zur Vernissage-Eröffnung der Fotoausstellung über Personelle Entwickungszusammenarbeit durch INTERTEAM in Nicaragua und Namibia
St.Gallen, Waaghaus, 20. Oktober 2004

Guten Abend liebe Gäste, liebe Interteamlerinnen und Interteamler, liebe Freundinnen und Freunde. Ich freue mich sehr, jetzt mit Ihnen diese Foto-Ausstellung eröffnen zu dürfen. Als ich 1976 für drei Jahre in ein Interteam-Projekt verreiste, hätte ich nie gedacht, dass ich jemals eine Interteam-Fotoausstellung in St.Gallen eröffnen würde. Ich habe mir in der Vorbereitung für diesen Abend die Frage gestellt, was seither in den Einsätzen wohl gleich geblieben ist, und vor allem: Was hat die Jahre hinweg überdauert?

Letzten Sonntag kam mir aber eine weitere Frage in den Sinn. Müssen wir überhaupt noch in die Länder des Südens reisen, um anderen Kulturen zu begegnen? Ich habe mir diese Frage neu gestellt, im Gottesdienst der Haldenpfarrei. Drei Asylsuchende haben kurz ihre Geschichte erzählt. Eines ist ihnen gemeinsam. Alle drei Männer haben einen so genannte NEE erhalten, Das heisst in der Sprache der Politik einen Nichteintretensentscheid - eben einen NEE. Alle drei jungen Männer müssen noch diese Woche das Asylzentrum verlassen und wissen nicht, wohin sie sollen. Sie wurden schon letzte Woche aus dem Zentrum verwiesen. Im nächstgelegenen Bahnhof wurden sie dann vom Bahnhofvorstand weggewiesen mit dem Hinweis, «ihr gehört nicht in dieses Land». Weggewiesen in die Nacht hinaus, in den Regen. Bei solchen und ähnlichen Geschichten realisiere ich immer wieder von neuem, dass wir alle hier sehr gefordert sind, ob wir in einen Einsatz im Süden leisten oder auch hier leben.

Zurück zur Frage, was hat von der Interteam-Philosophie all die Jahre überdauert? Einmal ist es sicher die Philosophie der so genannten «Hilfe zur Selbsthilfe», heute mit dem neudeutschen Begriff Empowerment umschrieben.

Wenn ich heute von aussen auf Interteam schaue, dann habe ich Respekt, weil der Ansatz, mit den Menschen zusammenarbeiten und nicht einfach für die Menschen zu arbeiten, überdauert hat. Und ich bin überzeugt, dass dies der richtige Ansatz ist. Eine Stimme aus dem Süden, eine Aboriginal-Frau aus Australien drückte es präzis aus. Lilla Watson sagt es in einem Satz: «Wenn ihr gekommen seid, um mir zu helfen, dann verschwendet ihr eure Zeit, aber wenn ihr gekommen seid, weil eure Befreiung mit meiner eigenen zusammenhängt, dann lasst uns zusammenarbeiten.»

Weiter ist es meine Ãœberzeugung, dass der Einsatz nach dem Einsatz, also hier zurück in der Schweiz, ebenso wichtig ist. Vielleicht ist es ja nicht Zufall, dass in der Haldenpfarrei der evangelische Pfarrer und der Pastoralassistent auf katholischer Seite beide früher in Südamerika in einem Einsatz standen und heute immer wieder Menschen, die nicht gefragt sind bei uns, eine Stimme geben.

Ein politisches Engagement - so wie ich das mache - ist nur ein möglicher Weg, aber ein wichtiger. Davon bin ich überzeugt. Auch wenn ich mir manchmal als einsame Ruferin in der Wüste vorkomme, wenn ich für eine globale Sichtweise, für mehr weltweite Gerechtigkeit plädiere.

Ich bin aber auch zuversichtlich für die Zukunft. In den letzten Jahren politisieren auch hier in St.Gallen wieder mehr Jugendliche, die sich für mehr globale Gerechtigkeit einsetzen. Und wenn wir in St.Gallen seit wenigen Wochen die jüngste Gemeinderätin haben, die sogar in einem Interteam-Einsatz in Kolumbien auf die Welt kam, dann ist die Zukunft hoffnungsvoll: Dass da eine Generation heranwächst, die auch bereit ist, sich politisch für eine gerechtere Welt einzusetzen, hier und jetzt.

Die Fotos hier schlagen Brücken zu uns. Sie bringen uns die Realitäten der Menschen im Süden näher. Sie holen den Lebensalltag hierher. Viele Fotos sagen etwas aus über die Lebensgrundlagen der uns unbekannten Menschen. Diese können uns daran erinnern, dass fehlende Lebensgrundlagen der Grund von Flucht sein können. Das kann uns zur Frage führen: Was haben die Ursachen von Flucht mit unserem eigenen Lebensstil hier zu tun? Ich bin überzeugt, alles, was wir hier im reichen Westen tun - und was wir nicht tun - hat auch Auswirkungen auf das Leben im Süden.

Mit Interteam-Projekten werden Menschen einander näher gebracht, gehen auf einander zu. Es besteht eine Beziehung. Mit der Fotoausstellung hier wird auch eine Beziehung geschaffen. Eine Beziehung der ganz besonderen Art. Die Fotos lassen uns das Motto von Interteam: «Beziehung / Austausch / Entwicklung» näher bringen. Die Fotos ermöglichen einen besonderen Zugang zu den Menschen vor Ort, den Lebensrealitäten, den Problemen, dem Alltag. Ich glaube, die Bilder können uns zum Nachdenken über unser eigenes Leben, über unsern Alltag und auch über unsere Verantwortung anregen.

Fotos sagen oft mehr als Worte. In den Fotos begegnen wir nebst Problemen und Nöten auch viel Schönem, Frohem. Sich darauf einzulassen lohnt sich. Schauen Sie die Menschen an, begegnen Sie den Menschen. Und Ihnen kommt Selbstachtung und Würde entgegen. Ein schönes Gefühl - nebst all den Problemen. In vielen Aufnahmen kommt uns sehr viel Lebenskraft entgegen. Das gefällt mir besonders: Das Leben offeriert sich. Es entsteht eine Verbindung. Es ist nicht jene Verbindung, die heutzutage fast in die ganze Welt möglich ist, wenn ich mit einem Handy in der Tasche herumlaufe. Es geht um eine andere Verbindung, es geht um einen anderen Kanal. Es ist der Kanal der Beziehung.

Verbindungen von einem Land zum anderen geschehen meistens von Mensch zu Mensch. Beziehungen werden gepflegt, ein reger verbaler Austausch findet statt. Doch wir wissen es alle aus eigener Erfahrung: Verbaler Austausch hat oft seine Grenzen. Wenn wir heute Abend im verbalen Austausch miteinander rasch die Grenzen der Sprache spüren, kann uns bewusst werden, dass es andere Dimensionen des «Einander-erfahrens» gibt.

Liebe Gäste, liebe Freundinnen und Freunde, lassen wir uns heute Abend von den Kunstwerken ansprechen, inspirieren. Lassen wir uns auf die sich offerierende Beziehung ein. Damit überschreiten wir Grenzen, auch zu den Menschen - ohne Natel. Ich denke, wer sich einlässt auf die geistige Grenzüberschreitung, die uns all diese Fotos ermöglichen, wird offen für die Grenzüberwindung von Mensch zu Mensch, unabhängig von Herkunft, sozialem Status, Hautfarbe, Geschlecht und Alter.

Ich bin sicher, dass Sie beim Betrachten der Fotos verschiedene Dimensionen des Menschseins erfahren. Fotos sind sehr viel mehr als ein Stück Papier.

Ich wünsche mir, dass mit dieser Ausstellung viele Begegnungen vom Süden zum Norden möglich werden. In diesem Sinn betrachte ich die Ausstellung als eröffnet.  
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