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Müssen Linke den Dalai Lama hofieren?
Interview in "PS", 28. Juli 2005 (in der Ausgabe Nr. 29)

Edi Goetschel stellte der St. Galler Nationalrätin Pia Hollenstein, Mitglied der Grünen und der Parlamentarischen Gruppe Tibet, kritische Fragen zum Besuch des Dalai Lama in der Schweiz.

Pia Hollenstein, was haben Sie als Person, die sich für die Freiheit Tibets einsetzt, für ein Gefühl bei dem bevorstehenden Grossanlass mit dem Dalai Lama im Zürcher Hallenstadion, zu dem 10 000 oder mehr Leute erwartet werden? Acht Tage dauert die Unterweisung «Weg zur Überwindung Leid schaffender Emotionen», dazwischen ein öffentlicher Vortrag «Mitgefühl - die Quelle des Glücks»: Mit einer politischen Manifestation hat das wenig zu tun, umso mehr mit leicht verdaulichem Esoterik-Entertainment.

In der Schweiz, aber auch anderswo ist die Verwirklichung der Botschaft des Dalai Lama für Friedfertigkeit, Gewaltfreiheit, Freiheit, Toleranz und Sorgetragen zur ganzen Mitwelt alles andere als leicht verdaulich. Zudem lebt in der Schweiz die grösste Tibetgemeinschaft ausserhalb Asiens, sie ist also ein guter Ort für einen Auftritt. Wenn zum Teil eine seltsame Art von Verehrung stattfindet, dann liegt das nicht am Dalai Lama, sondern vielmehr an den Westlern, von denen einige den Buddhismus als Modeströmung entdeckt haben.

Wo immer der geistige Führer der Tibetergemeinschaft auftritt, hat sein Auftritt auch eine politische Bedeutung aufgrund der Tatsache, dass China Tibet seit über 50 Jahren besetzt hält.

Auch der Empfang durch Bundesrat Couchepin gibt einen politischen Touch. Damit wird ein Zeichen gesetzt für die Anliegen der Tibetergemeinschaft hier im Westen. Und es bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat in Zukunft seine Bemühungen zu einer friedlichen Lösung der Tibet-Frage verstärkt.

Ich freue mich sehr, dass dieser Grossanlass in der Schweiz zustande kommt. Der interreligiöse Dialog ist auch bei uns aktueller denn je.

Im Patronatskomitee der Veranstaltung sind zwei Mitglieder der SP, die Zürcher Stadträtin Esther Maurer, und Nationalrat Mario Fehr. Dabei hat Diego Hangartner, Generalsekretär des Organisationskomitees, den Anlass ausdrücklich als einen religiösen oder spirituellen, keinen politischen bezeichnet. Gibt es gute Gründe dafür, dass sich Linke bei einer buddhistischen Missionsveranstaltung engagieren?

Der Buddhismus ist im Gegensatz zum Christentum keine missionierende Religion. Der schon im Voraus erhobene Vorwurf, es handle sich bei der Veranstaltung um Mission, ist deshalb abstrus.

Der Dalai Lama ist Symbolfigur für den Kampf für eine friedlichere Welt, für Gewaltfreiheit und Respekt und Schutz der Umwelt. Er bleibt konsequent bei seiner Politik der Gewaltlosigkeit, obwohl diese Politik seit 50 Jahren scheinbar erfolglos ist. Insbesondere ist er aber ein Symbol für den Widerstand gegen das diktatorische, menschen- und umweltverachtende Regime in Peking. Deshalb engagieren sich auch Linke dafür, ihm und den Zielen eines demokratischen Tibets ein Podium zu geben.

Der Dalai Lama ist sowohl religiöses wie politisches Oberhaupt eines undemokratischen Feudalsystems, in dem Frauen keine Bedeutung haben. Eine Person beispielsweise auch, die sich bei Entscheidungen auf Orakel verlässt. Sein Regime verträgt sich kaum mit der sinvollen Trennung von Kirche und Staat, den Idealen von Aufklärung, Demokratie und Gleichberechtigung. Warum müssen Linke den Gottkönig hofieren?

Zwischen der Unterstützung eines Auftritts des Dalai Lama in der Schweiz und dem «Hofieren» besteht ein gewisser Unterschied. «Hofieren» lässt sich am einfachsten mit dem Verhalten westlicher und auch der Schweizer Regierung illustrieren: Seit ein paar Jahren steht in offiziellen Gesprächen mit China fast ausschliesslich die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Traktandenliste. Menschenrechte werden höchstens am Rande thematisiert.

Der Dalai Lama hat seine politische Entscheidungsmacht übrigens längst abgetreten. Diese liegt beim Ministerpräsidenten, dem Kalon Tripa, derzeit Samdhong Rinpoche. Dieser wird direkt von der Exilgemeinde gewählt.

Und schliesslich symbolisiert der Dalai Lama den Kampf für Menschenrechte und gewaltfreien Widerstand, linke Postulate par excellence.

In den letzten Jahren sind vermehrt die fragwürdigen Beziehungen des Dalai Lama ins Blickfeld der Kritik gerückt. So wird ihm, bevor er nach Zürich kommen wird, von Ministerpräsident Roland Koch (CDU, den schon seit Jahren eine persönliche Freundschaft mit dem Dalai Lama verbindet, der Hessische Friedenspreis überreicht. Bei dieser Gelegenheit wird er auch einmal mehr Heinrich Harrer treffen, der seine Mitgliedschaft in der NSDAP, der SS und SA bis heute herunterspielt. Damit kann sich der Dalai Lama doch kaum Freunde bei den Linken machen?

Der Dalai Lama ist kein Linker und kommt nicht wegen Freundschaften mit Linken in die Schweiz. Ich sehe nichts Verwerfliches, wenn ihm ein CDU-Ministerpräsident einen verdienten Friedenspreis überreicht. Dem Dalai Lama gebührt Respekt, weil er sich unermüdlich für Gewaltfreiheit einsetzt und mehr Offenheit, Freiheit, Demokratie und Respekt der Menschenrechte fordert.

Ist der Dalai Lama in seiner Rolle als Maskottchen, das auf Fotos freundlich lächelnd mit Leuten aus allen politischen Lagern und mit sich völlig widersprechenden Interessen posiert, als politische Person überhaupt noch glaubwürdig oder schadet er damit letztlich nicht Tibet und dem tibetischen Volk?

Dass in der Schweiz ein geistlicher Führer als «Maskottchen» verunglimpft werden darf, zeigt den Unterschied zur Besatzungsmacht in Tibet. In China werden Andersdenkende inhaftiert, gefoltert, umgebracht - und der Westen schweigt.

Der Dalai Lama ist wohl der toleranteste aller heute lebenden Religionsführer. Seine Botschaft ist Mitgefühl. Da hat Ausgrenzung keinen Platz. Der Dalai Lama versteht die Menschen als Mitmenschen und nicht als politische Freunde oder Feinde. Unabhängig ob er mit seiner Botschaft der Gewaltfreiheit, des Respekts für alle Lebewesen Freunde macht, er will Botschafter einer gerechteren friedlichern Welt sein. Dass er dabei Tibet schaden soll, ist absurd.  
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