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Zu den Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während des Apartheidregimes

«Wir sind aufgefordert, unsere Unschuld zu beweisen oder unsere moralische Schuld einzugestehen.» Der damalige Bundesrat Flavio Cotti sagte diesen sinnigen Satz im Zusammenhang mit den nachrichtenlosen Vermögen. Doch er kann und muss auch auf die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während des Apartheidregimes übertragen werden. Die Schweiz hat eine spezielle Verantwortung gegenüber Südafrika, weil sie wie kein anderes Land bis zum Ende der Apartheid intensivste politische und wirtschaftliche Beziehungen pflegte.

Die Schweiz profitierte
Besonders die Schweizer Banken gerieten ins Kreuzfeuer der Kritik. Denn bekanntermassen haben die Schweizerische Volksbank, die Schweizerische Bankgesellschaft und die Schweizerische Kreditanstalt mit dem südafrikanischen Apartheidregime eng zusammengearbeitet. Damit finanzierte der Finanzplatz Schweiz ein international geächtetes, rassistisches Unrechtsregime. Die Schweiz brach, unterlief und umging die entsprechenden UNO-Sanktionen. Auch die Schweizer Behörden arbeiteten mit diesem Unrechtsregime zusammen. Und die Schweizer Wirtschaft profitierte masslos von der Aufrechterhaltung der Apartheid. Deshalb hat sich die Schweiz auch eine besondere Verantwortung aufgebürdet. Sie hat die Pflicht, zur Aufdeckung der Wahrheit ihren Beitrag zu leisten. Seit die südafrikanische weisse Regierung 1994 demokratischen Kräften weichen musste, wurde in der Öffentlichkeit nur noch selten über die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Apartheidregime diskutiert. Südafrika selbst hat seit dem Ende der Apartheid mit der Schaffung einer Wahrheitskommission und mit der Wiedergutmachung Versöhnung geleistet. «Ohne Versöhnung keine Zukunft», lautete die Devise. Der Prozess im südlichen Afrika läuft. Zwar machte die Wahrheitskommission vielen Angst. Die Erfahrung zeigt aber, dass die gemachten Bekenntnisse vorwiegend als Befreiung erlebt werden und Kräfte freisetzen für die Zukunft. 1997 wollte ich mit einer Einfachen Anfrage dem Bundesrat Gelegenheit geben, von sich aus die geschichtliche Aufarbeitung an die Hand zu nehmen respektive die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Geschichtsforschung zu setzen. Doch der Bundesrat hatte kein Interesse: «Die Fakten sind hinlänglich bekannt.» Er rechtfertigte sein früheres Handeln indessen nicht mehr durchwegs. Seine Begründung lautete, dass sich die Politik der unterlassenen Sanktionen auf neutralitätspolitische Überlegungen bezogen habe und dass sie sich im Nachhinein als zwar aus der Zeit verständlich, aber als nicht weitsichtig erwiesen habe.

Privatarchive bleiben tabu
Weil der Bundesrat nicht bereit war, weitere Abklärungen zu ermöglichen, forderte ich 1998, mittels eines Bundesbeschlusses eine Fachgruppe analog zur so genannten Bergierkommission einzusetzen. Diese Kommission sollte es ermöglichen, das Verhältnis der Schweiz zum südafrikanischen Apartheidregime historisch aufzuarbeiten. Denn nur mit einem Bundesbeschluss kann Zugang zu Archiven von Privaten wie etwa Banken oder anderen Wirtschaftsunternehmen verlangt werden. 1999 lehnte der Nationalrat diese Forderung ab, überwies aber immerhin ein Postulat, wonach der Bundesrat ersucht wird, beim Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen der nationalen Forschungsprogramme ein Projekt zu initiieren und zu finanzieren, das die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz während der Apartheid untersucht. Ein erster Teilbericht wird am 11. Oktober in Basel vorgestellt. Der Präsident der Forschungsgruppe, Georg Kreis, äusserte sich in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» im Juli dieses Jahres, dass er eine Kommission à la Bergier als sinnvoll erachte. Denn solange das Parlament keinen entsprechenden Bundesbeschluss fasst, bleiben die wichtigen Archive der Privaten verschlossen. Auch der Bundesrat blieb nicht ganz untätig. Unter der Federführung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) wurde eine interdepartementale Gruppe eingesetzt. Der von ihr verfasste 120-seitige Bericht kam Ende Juli 1999 zum Schluss, dass die Schweizer Haltung während der Apartheid zu vorsichtig gewesen sei und sich heute nicht mehr rechtfertigen lasse. Seit der Ablehnung meiner Parlamentarischen Initiative 1999 förderten verschiedene Medien immer wieder neue Fakten zutage. Fakten, die bis anhin vertuscht wurden. Etwa die Tatsache, dass ein Geheimabkommen zwischen dem südafrikanischen und dem schweizerischen Nachrichtendienst aus dem Jahr 1986 existierte oder dass Peter Regli bereits 1988 einen Besuch von Brigadier Wouter Basson, dem ehemaligen Generalstabsarzt der südafrikanischen Armee, organisierte. Heute verdichten sich die Indizien für eine schweizerische Komplizenschaft mit Wouter Basson, der Südafrikas Schwarze bakteriologisch vernichten wollte. Bundesrat Samuel Schmid leitete zum Kapitel der Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst im Herbst 2001 eine Administrativuntersuchung ein. Abgeklärt werden sollen die Existenz eines angeblichen Chemiewaffen-Geheimabkommens Schweiz-Südafrika, die Beschaffung zweier russischer Fliegerabwehr-Lenkraketen SA-18 und die Frage der Aktenvernichtung. Schon im Februar erklärte der Leiter der Untersuchung, Rainer J. Schweizer von der Universität St. Gallen, dass sich eine eingehende Untersuchung zu lohnen scheine. Die für Ende August 2002 vorgesehene Veröffentlichung des Berichts verzögerte sich, weil regelmässig neue Fakten auftauchten.

Bundesanwaltschaft ermittelt
Auch die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat wurden durch immer neue Fakten in den Medien aufgerüttelt. Sie beauftragten eine Delegation, den 1999 veröffentlichten Bericht zu den Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika zu ergänzen. Damals hatte sie den Geheimdienst weitgehend entlastet und Peter Regli, den früheren Schweizer Nachrichtendienstchef, reingewaschen. Unterdessen hat sich der Verdacht erhärtet, dass der Delegation verwaltungsintern zentrale Informationen über die Nachrichtenbeziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika vorenthalten worden waren. Parallel dazu ermittelt die Bundesanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Bundeskriminalpolizei gegen unbekannt zur Klärung möglicher strafrechtlich relevanter nachrichtendienstlicher Delikte zwischen der Schweiz und Südafrika. Dabei geht es um die Klärung von Spionage sowie den Verdacht auf illegale Exportgeschäfte.

Endlich volle Transparenz
Alle genannten Ermittlungen, Untersuchungen respektive Forschungsarbeiten werden zu mehr Transparenz beitragen. Sie genügen aber nicht. Denn solange nicht möglich ist, in Archiven der Banken und der Wirtschaft zu forschen, bleibt zu vieles im Dunkeln. Der zunehmende Druck von aussen wird der Schweiz schaden. Der Nationalrat täte gut daran, die zweite von mir eingereichte Parlamentarische Initiative, die im Herbst in der nationalrätlichen Rechtskommission behandelt wird, zu überweisen. Damit wären die Rahmenbedingungen für eine umfassende Aufarbeitung der Beziehungen Schweiz -Südafrika während der Apartheid gegeben. Dieser Vorstoss hat im Nationalrat mehr Chancen, angenommen zu werden, als der erste Anlauf 1999. Mein Vorstoss wurde denn auch unter anderen von FDP-Nationalrat Fulvio Pelli und der CVP-Vizepräsidentin Doris Leuthard unterzeichnet.

Druck von Kirche steigt
Vor ziemlich genau einem Jahr hat auch der Evangelische Kirchenbund klar Stellung genommen. «Wir können nur Klarheit schaffen, wenn auch die Archive der Banken und Unternehmungen geöffnet werden», meinte Kirchenbundspräsident Thomas Wipf. Ähnlich tönte es von der Bischofskonferenz. Vor wenigen Wochen schliesslich haben engagierte Christinnen und Christen aus der Schweiz, die sich schon in der Zeit der Apartheid in den Siebziger- und Achtzigerjahren gegen die Apartheid engagierten, ein Manifest verfasst. Die zentrale Passage sollte sich die offizielle Schweiz zu Herzen nehmen: «Wir verlangen, dass - die Archive der betroffenen Banken, Firmen und eidgenössischen Departemente geöffnet werden und die Mitverantwortung an den Menschenrechtsverletzungen der Apartheidszeit übernommen wird; - Höhe und Modalitäten von Entschädigungszahlungen auf einer internationalen Konferenz verhandelt werden; - die Schulden Südafrikas wie der mitgeschädigten Frontstaaten aus der Zeit der Apartheid gestrichen werden. Wir sind überzeugt, dass Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika den Weg in die Zukunft öffnen. So werden Verständigung und friedliches Zusammenleben im Inneren dieser Länder und zwischen ihnen und den Ländern des Nordens möglich. Eine gerechtere Form des wirtschaftlichen Austausches kann die Folge davon sein.»

Gemeinsame Zukunft planen
Das schweizerische und das südafrikanische Volk haben das Recht, die ganze Wahrheit zu erfahren. Die Schweizer Regierung hat die Pflicht, dies zu ermöglichen. Dafür braucht es den von mir und 79 Mitunterzeichnenden verlangten Bundesbeschluss. Denn all die laufenden Untersuchungskommissionen haben zu den wichtigen Dokumenten von Banken und anderen Firmen keinen Zugang und klären bestenfalls kleine Teilbereiche. In Südafrika hat sich 1998 eine Koalition von Kirchen, Gewerkschaften, nationalen Nichtregierungsorganisationen, Gewaltopfern der Apartheid und Menschenrechtsgruppen zu «Jubilee South Africa» zusammengeschlossen. Diese Organisation sucht den Dialog mit jenen Firmen und Staaten, welche die Apartheid direkt oder indirekt unterstützt haben. Sie will, dass Schulden gestrichen und ungerechte Gewinne neu verteilt werden. Vor allem aber möchte «Jubilee South Africa», dass staatliche und privatwirtschaftliche Archive zugänglich werden und an internationalen Konferenzen offen über die Ver-gangenheit gesprochen wird, um eine gerechtere gemeinsame Zukunft zu ermöglichen.  
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