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Mich nervt immer wieder die Unehrlichkeit bürgerlicher Politiker
Interview von Verena Schoder, erschienen in den Obersee Nachrichten, 16. Februar 2006

Die Grünen nehmen immer mehr Einsitz in die Regierungen und Parlamente. Die Überschwemmungen im Sommer und der Feinstaub im Winter haben die Umwelt auf der Problemliste wieder an die Spitze befördert. Die Grünen sehen sich nun als glaubwürdige Partei bestätigt, wie Nationalrätin Pia Hollenstein (56) sagt, und rügt zugleich die Unehrlichkeit und Ignoranz bürgerlicher Politiker.

Pia Hollenstein Die Grüne Partei ist in der Schweiz auf dem Vormarsch. Das zeigen aktuell die rot-grünen Regierungen von Zürich und Winterthur. Ein erfreulicher Wahlsonntag für Sie?
Ja, die Grünen sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Wir haben schon vor drei Jahren bei den eidgenössischen Wahlen zugelegt und seither in allen Kantonen, Städten und Gemeinden, überall dort, wo Wahlen stattfanden. Insbesondere in der welschen Schweiz. Besonders erfreulich ist, dass wir nach den grossen Städten nun auch in den kleineren wie Winterthur in den Regierungen vertreten sind.

Die Grünen sind seit Jahren auf dem Vormarsch Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Grünen sind ein Garant für eine glaubwürdige Ökologie und Menschenrechtspolitik. Zum Zweiten: wir sind nicht so sehr verfilzt wie die bürgerlichen Parteien, die oft ihre Wahlversprechen nicht halten und zu blossen Interessenvertretern der Wirtschaft werden. Es hat auch damit zu tun, dass die bürgerlichen Parteien – zum Teil auch die SP – die ökologischen Themen in den letzten Jahren total vernachlässigt haben. In dieser ganzen Zeit, wo die Umwelt keine Priorität hatte, sind wir nicht von unserer Politik abgewichen. Das Stimmvolk glaubt an die Konstanz und das langfristige Umweltdenken der Grünen und honoriert es mit Stimmen.

Auch bei den Jungen, wie es sich zeigt.
Richtig, indem wir auch als hartnäckige Globalisierungskritikerinnen und -kritiker in Erscheinung treten, macht uns das auch bei den Jungen attraktiv. Alles Bereiche, die von den bürgerlichen Interessenvertretern vernachlässigt werden.

An wen denken Sie bei Interessenvertreter?
Auch wir vertreten Interessen, aber uns geht es nicht ums grosse Geld. Am extremsten zeigt sich die SVP, die vor den Wahlen vorgibt, für die Schwächsten da zu sein. Doch wenn sie dann gewählt sind, machen sie sich nur noch für Privilegien der Reichen stark. Das zeigt sich ganz besonders bei den Bauern.

Inwiefern?
Die SVP engagiert sich nur noch für ein paar Grossbauern und nicht mehr für die Bauern und Kleinbauern in unserem Land. Langsam merken diese nun, dass es die Grünen sind, die ihre eigentlichen Interessen vertreten.

Frau Hollenstein, haben Sie neben Politik und Beruf auch Zeit, die Olympischen Winterspiele zu verfolgen? Sie sind ja bekannt dafür, aktiv Sport zu betreiben.
Tatsächlich bin ich Velofahrerin, gehe wenn immer möglich Klettern oder Wandern und mache Skitouren oder Sommerhochtouren. Aber natürlich interessiere ich mich für die Olympischen Winterspiele. Mich würde es freuen, wenn die Schweiz nicht nur im globalen Sport Medaillen holte, sondern auch dort, wo es um globale Gerechtigkeit geht. Olympische Spiele können aufzeigen, dass unabhängig von Herkunft und Hautfarbe Respekt voreinander und ein gutes Miteinander möglich sind.

Handlungsbedarf gibt es auch im Umweltschutz. Aktuell der Feinstaub. Es gibt Stimmen, die verlauten, dass einmal mehr übertrieben wird, wie beim Waldsterben?
Wer in dieser Frage von Übertreibung spricht, verharmlost sträflich die Tatsachen und trägt eine Mitschuld an den Folgen. Die Schädlichkeit des Feinstaubs ist unbestritten, jedes Jahr sterben 3000 bis 4000 Menschen frühzeitig an den Folgen. Wir haben pro Jahr 40000 Bronchitis-Fälle. Die Sorgen sind berechtigt, nur besorgt sein reicht nicht. Wir müssen handeln.

Was sagen Sie jemandem, der von Ãœbertreibung und Hysterie spricht?
Wer so etwas sagt, den würde ich am liebsten auf eine Pflegestation von Lungenkranken mitnehmen und ihm vor Augen führen, dass unser Gesundheitswesen allein wegen der Umweltverschmutzung pro Jahr mit 4,2 Milliarden Franken Heilungskosten belastet wird. Ich bin sicher, dass diese Person nachher anders reden würde.

Den Grünen geht es nicht ums grosse Geld Der Kanton St.Gallen hat bei der 80er-Limite auf Autobahnen nicht mitgemacht. Was sagen Sie dazu?
Der St. Galler Regierungsrat drückt sich vor der Verantwortung, wenn er sagt, eine Temporeduktion sei nicht mehrheitsfähig. Regierungsrat Willi Haag als Umweltschutzverantwortlicher müsste informieren, wie gesundheitsschädigend der Feinstaub ist, und welche dringliche Massnahmen zu treffen sind. Die Regierung und das Parlament haben dies seit Jahren unterlassen.

Greenpeace klagt wegen Feinstaub gegen die Aargauer Regierung. Ist dies der richtige Weg oder vergrämt man so nur die Bürger?
Die Grünen und alle Umweltorganisationen machen schon seit vielen Jahren auf die Probleme aufmerksam. Leider ohne grossen Erfolg, obschon es mit jedem Jahr schlechter steht um die Luft. Wenn die Behörden nichts zum Schutz der Gesundheit unternehmen, wo es um Krebserkrankungen geht, kann eine Aufsichtsbeschwerde das richtige Mittel sein. Greenpeace verlangt jetzt nur, was die Regierungen – und das Bundesparlament – unterlassen und selbstverständlich sein müsste.

Anderes Thema: Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hat die Frauen-Quote wieder zur Diskussion gebracht. Fanden Sie ihr Vorgehen im Sinne von Frauen-Partizipation richtig?
Offensichtlich haben frühere Massnahmen und Bestimmungen bei der Selektionierung der Diplomaten nicht gegriffen. In einer Demokratie macht es nun einmal Sinn, auch Diplomatenposten mit einer ausgeglichenen Anzahl von Frauen und Männern zu besetzen. Positive Diskriminierungen sind gerechtfertigt, wenn es einem höheren Grundsatz dienen: der Gleichstellung. Es ist zu hoffen, dass sich beim nächsten Auswahlverfahren mehr Frauen um ein Amt bewerben.

Dick Marty und weitere Männer zeigten sich empört über Calmy-Reys Vorgehen.
Ich möchte zu gern wissen, wo die Empörung dieser Männer bleibt, wenn es um Gerechtigkeit bei den Frauen geht? Beispielsweise bei den Universitätsprofessuren, wo es lediglich einen Frauenanteil von fünf Prozent gibt. Oder in der Wirtschaft, wo es ganz normal ist, dass Männer auf den wichtigsten Posten hocken. Ich bin überzeugt, dass es viele Frauen gibt, die ebenso qualifiziert sind. Nur bekommen sie die Chance nicht, sich zu bewähren.

Wo bleibt da die Empörung der Männer? Gibt es Hoffnung, dass es wenigstens im eidgenössischen Parlament irgendwann einen Ausgleich gibt?
In einer Demokratie, die ihren Namen verdient, sollten Frauen und Männer gleich vertreten sein. Aber nur wenn der politische Rahmen entsprechend gestellt wird, wird es diesen Ausgleich geben. Denn die Männer verzichten nicht freiwillig auf solche Posten. Natürlich besteht Hoffnung, denn wer nicht mehr hofft, hat schon verloren.

Wann bereitet Ihnen Ihre politische Tätigkeit Bauchschmerzen?
Mich nervt immer wieder die Unehrlichkeit bürgerlicher Politiker: Wenn sie vor den Wahlen vorgeben, sich für die Schwächeren im Land einzusetzen und sich dann für die Privilegien der Reichen stark machen. Da unterscheiden wir Grünen uns von den Bürgerlichen ganz gewaltig. Wir halten unsere Versprechen und sind somit für unsere Wählerinnen und Wähler auch glaubwürdig.  
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