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Bundesratswahl - keine mathematische Turnübung
erschienen in Neue Wege, November 2003

Pia Hollenstein, zunächst herzliche Gratulation zu Deiner überzeugenden Wiederwahl. Du hast einen harten Wahlkampf hinter Dir. Wie fühlst Du Dich?
Ich freue mich wirklich sehr, dass es mit der Wiederwahl klappte. Die letzten Wochen und Monate waren sehr anstrengend, jetzt kann ich aufatmen. Dass die Grünen im Kanton St.Gallen 2,4 % zulegen konnten und jetzt 7,1 % Wähleranteil haben, freut mich besonders. Wie mir die vielen Glückwünsche zeigen, scheint meine Wiederwahl ein kleiner Lichtblick zu sein, nachdem die SVP im Kanton St. Gallen nun 4 von 12 Sitzen innehat.

Alles spricht von der SVP, als hätte sie allein die Wahl gewonnen. Dabei haben mehr Wählerinnen und Wähler SP, Grüne und Alternative gewählt als SVP. Am meisten zugelegt haben auf der Linken allerdings die Grünen. Worauf führst Du das gute Abschneiden der GP und das nur mässige der SP zurück?
Es gibt verschiedene Gründe. Dass im Hitzesommer die Klimafrage wieder aktuell wurde, kam uns sicher entgegen. Viele Menschen in der Schweiz haben gemerkt, dass die anderen Parteien das Thema Ökologie vernachlässigen. Viele haben zudem realisiert, dass auch in der Sozialpolitik auf die Grünen Verlass ist. Unser - gegenüber früher - breiteres Themenspektrum macht uns für mehr Leute wählbar. Die Grünen haben dabei vom Rechtsdrall der CVP profitiert; viele ehemalige Wählerinnen und Wähler der CVP wählten grün. Und nicht zuletzt hat sich der Leistungsausweis der Grünen Fraktion ausbezahlt gemacht. Unser Wahlslogan: "Ökologisch konsequent, sozial engagiert und global solidarisch", war für uns während der ganzen politischen Arbeit der letzten vier Jahre wegleitend. Ich meine auch, dass wir in der Person von Ruth Genner eine Co-Präsidentin haben, die Vertrauen schafft. Ihre Gradlinigkeit und Klarheit in den politischen Positionen und ihre hohe Sachkompetenz machen unsere Partei ebenfalls attraktiv. Im Verhältnis zur SP stehen die Grünen klarer für eine pazifistische Friedenspolitik und konsequenter für eine nachhaltige Entwicklung ein. Der Widerstand gegen eine ausbeuterische Globalisierung wird vor allem von Grünen mitgetragen.

Das hindert Euch aber nicht, in der kommenden Legislaturperiode enger mit der SP zusammenzuarbeiten.
Mit der SP haben wir bereits Gespräche aufgenommen. Beide Parteien sind an einer engeren Zusammenarbeit interessiert. Von unserer Seite besteht der Anspruch an die SP, dass sie im Bundesrat den ökologischen Aspekt stärker einbringt. Im Nationalrat muss Rot-Grün mit der CVP zusammen Mehrheiten bilden, wo dies möglich ist.

Der SVP ist es gelungen, die Bundesratskandidatur von Christoph Blocher medienwirksam zu lancieren. über die Klinge springen müsste ein heutiges Bundesratsmitglied der CVP, Deiss oder Metzler. Mir fällt auf, wie wenig von Inhalten und wie sehr von Parteienproporz gesprochen wird. Ist eine fremdenfeindliche und sozialpolitisch reaktionäre SVP für Dich und die Grünen überhaupt in den Bundesrat wählbar?
Nein, wir werden zu einer Wahl Blochers nichts beitragen. Wir sind gegen die Stärkung einer rückwärtsgerichteten isolationistischen Partei, die unermüdlich Sozialabbau betreibt, jede ökologische Massnahme bekämpft, von Gleichstellung von Mann und Frau noch praktisch nichts begriffen hat und wo immer möglich Fremdenfeindlichkeit schürt. Dabei geht es nicht um die Person Blocher, sondern gegen das SVP-Parteiprogramm, das für Rahmenbedingungen plädiert, damit die Reichen immer reicher werden, und die ökologischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte über Bord werfen will (Verbandsbeschwerderecht, Verlagerungspolitik für den öffentlichen Verkehr etc.). Wir Grüne orientieren uns an der Frage: Welche Schweiz wollen wir? Dann hat die SVP keinen Platz in der Regierung. Eine Bundesratswahl ist nicht einfach eine mathematische Turnübung.

Was hältst Du von der taktischen überlegung, Blocher durch die Einbindung ins Bundesratskollegium politisch zähmen zu wollen?
Die Situation im Kanton Zürich zeigt, dass sich eine SVP wegen einer Doppelvertretung in der Exekutive nicht zähmen lässt. Die SVP im Kanton Zürich scheut - trotz eines SVP-Finanzministers - keinen Versuch, Sozialabbau zu betreiben. Und trotz ihrer Hardliner-Regierungsrätin Furrer nutzt sie jede Gelegenheit zur Stimmungsmache gegen Ausländerinnen, Ausländer und Asylsuchende. Zudem verrät Blocher mit seinen Forderungen der letzten Jahre allzu deutlich, wohin die Reise führen soll: Sozialabbau und Wirtschaftsprofit kommen ihm vor nachhaltiger Entwicklung. Wenn es um globale Gerechtigkeit geht, hat sich Blocher noch nie für die Benachteiligten eingesetzt. Weil er seine Positionen mit einem unheimlichen Sendungsbewusstsein vertritt, mache ich mir keine Illusionen, dass er als Bundesrat ein anderer Mensch wäre. Auch wenn er sich im Bundesratsgremium kompromissbereit gebärden würde, mir passen seine politischen Ziele nicht. Und diese möchte er zweifelsohne durchsetzen. Deshalb will er ja in den Bundesrat.

Die Bundesratskandidatur der Grünen zeigt ein Gegenmodell für eine neue Zauberformel auf: 2 SP, 2 FDP, 2 CVP, 1 GP. Welche Chance hat dieses Modell am 10. Dezember, dem Tag der Bundesratswahl? Welche Chance hätte es darüber hinaus gegenüber einer rechtsbürgerlichen Opposition, die alles daran setzen würde, eine Mitte-links-Regierung mit Referenden und Initiativen zu bekämpfen?
Wir haben ein klares Interesse an einer Mitte-links-Regierung. Darum sind wir mit einem entsprechenden Regierungsprogramm an die Öffentlichkeit getreten. Wir möchten uns zusammen mit der SP und der CVP auf ein paar für uns zentrale Forderungen einigen. Dazu gehören: Besteuerung der nicht erneuerbaren Energien, Priorisierung der Investitionen des öffentlichen Verkehrs, flexibles Rentenalter ab 62 für Frauen und Männer, mehr Mittel für friedensfördernde Massnahmen und die Entwicklungszusammenarbeit, ein Migrationsgesetz und eine nationale Erbschaftssteuer. Käme es zu einer Mitte-rechts-Regierung, würden wir gegen Vorlagen, die den Sozialstaat zerstören oder eine nachhaltige Entwicklung verhindern, das Referendum ergreifen und hätten dabei das Volk auf unserer Seite. Die blosse Angst, SVP-Anliegen könnten mehrheitsfähig werden, verleitet mich keineswegs dazu, der SVP zu mehr Macht im Bundesrat zu verhelfen. Es gilt, für die Werte einer solidarischen und ökologischen Schweiz einzutreten.  
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