Leserinbrief zum Kommentar «Allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen», von David Angst, Tagblatt vom 27. 2.2010

Ich gebe dem Redaktor Recht: Die Entscheidung von 7000 militärdienstpflichtigen Männern, in den Zivildienst zu wechseln, kann kein Anlass für Alarmübungen sein, wie sie sicherheitspolitische Haudegen verlangen. Eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen zu fordern, wie dies David Angst tut, ist aber ebenso falsch.

Die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht widerspricht Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Verbot von Zwangsarbeit. Zwangsverpflichtete in Altersheimen einzusetzen widerspricht auch dem Argument der Arbeitsplatzneutralität, dass also keine bestehenden Arbeitsplätze konkurrenziert werden dürfen. Deshalb hatten sich die Arbeitgeberverbände bei der Zivildienstgesetzgebung für Einsätze stark gemacht, die arbeitsplatzneutral sind. Zudem gibt es das klassische Alterheim immer seltener: Betagte wählen meist erst ein Heim, wenn ein Pflegebedarf ausgewiesen ist. Hier aber ist hoch qualifizierte Arbeit gefragt, die Zwangsverpflichtete nicht leisten können.

In Heimen besteht denn auch kein Mangel an Hilfspersonal. Wenn jetzt im grossen Stil zwangsverpflichtete Männer und neu auch Frauen in Heimen eingesetzt würden, führte das dazu, dass das meist weibliche Pflegeassistenzpersonal den Arbeitsplatz verlöre. Besonders Arbeitsplätze im unteren Lohnsegment gingen verloren. Der Einsatz von Zwangsverpflichteten in Heimen würde dazu führen, dass andere, besonders Frauen und Ausländerinnen und Ausländer, keine Stelle als Hilfspersonen mehr fänden. Das läuft darauf hinaus, dass Stellenlose im unteren Lohnsegment von der Sozialhilfe abhängig würden. Auch deshalb ist der vorgeschlagene Weg ein Irrweg.

Es kann auch nicht sein, dass in Zukunft die Frauen unter dem Deckmantel von mehr Gerechtigkeit eine allgemeine Dienstpflicht zu leisten haben. Das wäre ein Affront gegen Frauen. Noch immer leisten Frauen mit ihrer freiwilligen unbezahlten Haus- und Familienarbeit einen übergrossen Beitrag an die Gemeinschaft. Jede Statistik belegt dies. Auch wird in aller Regel die häusliche Pflege alter und kranker Familienangehörigen von Frauen übernommen. Wo sind die Massnahmen, welche dafür sorgen, dass die Männer einen höheren Anteil an der privat zu leistenden Haus- und Familienarbeit leisten?

Die Grünen propagieren schon seit Jahren die Aufhebung der Wehrpflicht, die ohnehin keine mehr ist, da 60 Prozent der jungen Männer, die zur Aushebung einrücken entweder keinen Militärdienst leisten oder ihn frühzeitig abbrechen. An Stelle der Wehrpflicht sollte ein freiwilliger Sozial- und Friedensdienst geschaffen werden. So würde motiviert ein sinnvoller Einsatz geleistet, anstelle unter Zwang Arbeiten zu verrichten, die anderen die Stelle streitig macht.   ▲