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Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
erschienen im Hospiz-Infoblatt, 2002

1. Ist die in der Diskussion stehende mögliche Legalisierung der aktiven Sterbehilfe aus Ihrer Sicht eher ein medizinisches, ethisches oder strafrechtliches Problem?
Alle drei Dimensionen beeinflussen sich mehr oder weniger gegenseitig. Die rechtlichen Rahmenbedingungen beeinflussen sowohl das ethische als auch das medizinische Handeln, und auch das Pflegerische. Ein Beispiel: Wäre es gesetzlich nicht verboten jemandem eine zum Tode führende Spritze zu verabreichen, bestünde die Gefahr für Ärztinnen und Ärzte bei Todkranken und sterbenden Menschen diese Möglichkeit auch in Betracht ziehen. Die Ethik, dass grundsätzlich immer für das Leben und nicht für das Töten entschieden werden soll, könnte durch eine mögliche Zulassung aktiver Sterbehilfe in Frage gestellt werden.

2. "Eine gute Sterbebegleitung macht aktive Sterbehilfe überflüssig" – welches ist Ihre Meinung zu dieser These?
Wir müssen unbedingt immer die Frage stellen: Warum wünscht dieser kranke Mann oder diese kranke Frau aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen). Ein Wunsch nach Tötung durch Dritte ist oft ein Hilfeschrei nach Schmerzstillung, Zuwendung, Verstandenwerden.

Sterben kann nicht geübt werden. Geübt werden kann aber Sterbebegleitung: das Zuhören, das Verstehen, das Präsentsein, das Nichtverstehen zuzulassen, Unterstützung in der Sinnsuche anzubieten. Wenn gleichzeitig eine optimale Schmerztherapie angewendet wird und man auf die eben erwähnten urmenschlichen Bedürfnisse eingeht, verschwindet der Wunsch nach Tötung durch Dritte praktisch immer.

Das Problem ist: Sobald wir eine technische Lösung zur Tötung erlauben, wird die Suche nach anderen Möglichkeiten wie die optimale Begleitung und Betreuung todkranker Menschen sehr schnell aufgegeben.

Natürlich ist eine optimale medizinische und pflegerische Versorgung in der Endphase sehr anspruchsvoll und bringt manche Betreuenden hie und da an die eigenen Grenzen, wie mit Leiden und Sterben umzugehen ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft der Frage stellen, wie die medizinische Behandlung und die Pflege von Menschen in der Endphase aussehen soll. Weshalb kommt jemand zum Wunsch, sich z.B. von jemandem eine Spritze geben zu lassen, die mit Sicherheit zum Tode führt? Welche Hilfe wäre in dieser Situation echte Lebenshilfe oder eben echte Sterbehilfe?

3. Was sagen Sie zu Befürchtungen, eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe könnte für den Umgang mit behinderten und betagten Menschen negative Signalwirkung haben?
Ist die Möglichkeit gesetzlich gegeben, wird die aktive Sterbehilfe auch in Betracht gezogen werden. Niemand garantiert, dass mit der absehbaren Zunahme von Betagten und sehr alten Menschen künftig nicht aus finanziellen Gründen nach "technischen Lösungen" gesucht wird.

Mir gegenüber haben Patientinnen und Patienten nach ihrer Genesung schon oft geäussert, dass sie in der schwierigen Phase der Schmerzen und der Einsamkeit, sich eine Tötung durch Dritte gewünscht hätten, wenn diese Möglichkeit bestanden hätte. Diese Beispiele sind für mich Warnsignale genug, dass solange nicht über eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe nachgedacht werden darf, als nicht eine optimale medizinische und pflegerische Versorgung gewährleistet wird. Dann nämlich, wird der Wunsch nach „Töten durch Dritte“ praktisch nicht mehr vorkommen. Der Tötungswunsch wird in einen Sterbewunsch gewandelt und das bedeutet für das Spital- oder Heimpersonal, als auch für Angehörige, alles daran zu setzen, um die letzten Tage und Stunden möglichst lebenswert zu gestalten. Dass auch und besonders in dieser Lebensphase eine optimale Schmerztherapie erfolgen muss, ist selbstverständlich.

Die berechtigten Ängste derjenigen, die den Zeitpunkt des Todes selbst bestimmen möchten und dazu andere zu einer entsprechenden Handlung bevollmächtigen wollen, müssen trotzdem ernst genommen werden. Weshalb kommt jemand zu diesem Entschluss? Welche Hilfe wäre in dieser Situation echte Lebenshilfe oder eben echte Sterbehilfe?

Wenn man durch eine Gesetzesänderung aktive Tötung gestattet, und wenn durch eine Änderung der ärztlichen Ethik Suizidhilfe durch Fachpersonen gebräuchlich wird, so verändert sich auch das Klima für die psychisch und körperlich Hilfe- und Pflegebedürftigen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit einer Gesetzesänderung auch die Gefahr der Beeinflussung durch Verwandte und Bekannte oder sogar durch Betreuende steigt. Denn es ist auch und vor allem für die Umgebung oft nicht einfach, eine nahe stehende Person in der letzten Lebensphase zu begleiten und die schwere Zeit der Ablösung mitzumachen. Wie soll eine todkranke Person vor Beeinflussungen von aussen geschützt werden, wenn die gesetzliche Möglichkeit zur aktiven Sterbehilfe bekannt ist und sich die Person in einer hilflosen Situation befindet, in der sie sich nutzlos und nur noch als Belastung vorkommt?  
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