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Die Schweiz und das Apartheidregime
erschienen in: Neue Wege, Die Zeitschrift des Religiösen Sozialismus, Januar 2003

«Wir sind aufgefordert, unsere Unschuld zu beweisen oder unsere moralische Schuld einzugestehen.» Der damalige Bundesrat Flavio Cotti sagte diesen sinnigen Satz im Zusammenhang mit den nachrichtenlosen Vermögen. Doch er kann und muss auch auf die Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während des Apartheidregimes übertragen werden. Die Schweiz hat eine spezielle Verantwortung, weil sie wie kein anderes Land mit Südafrika bis zum Ende der Apartheid intensivste politische und wirtschaftliche Beziehungen pflegte.

Die Schweiz profitierte
Besonders die Schweizer Banken gerieten ins Kreuzfeuer der Kritik. Denn bekanntlich haben die Schweizerische Volksbank, die Schweizerische Bankgesellschaft und die Schweizerische Kreditanstalt mit dem südafrikanischen Apartheidregime eng zusammengearbeitet. Damit finanzierte der Finanzplatz Schweiz ein international geächtetes rassistisches Unrechtsregime. Die Schweiz brach, unterlief und umging die entsprechenden UNO-Sanktionen.

Auch die Schweizer Behörden arbeiteten mit dem Unrechtsregime zusammen. Und die Schweizer Wirtschaft profitierte masslos von der Aufrechterhaltung der Apartheid. Deshalb hat sich die Schweiz auch eine besondere Verantwortung aufgebürdet. Sie hat die Pflicht, zur Aufdeckung der Wahrheit ihren Beitrag zu leisten.

Seit die südafrikanische weisse Regierung 1994 demokratischen Kräften weichen musste, wurde in der Öffentlichkeit nur noch selten über die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Apartheidregime diskutiert. Südafrika selbst hat seit dem Ende der Apartheid mit der Schaffung einer Wahrheitskommission und mit der Wiedergutmachung Versöhnungsarbeit geleistet. «Ohne Versöhnung keine Zukunft», lautete die Devise. Der Prozess im südlichen Afrika läuft. Zwar machte die Wahrheitskommission vielen Angst. Die Erfahrung zeigt aber, dass die gemachten Bekenntnisse vorwiegend als Befreiung erlebt werden und Kräfte freisetzen für die Zukunft.

1997 wollte ich mit einer Einfachen Anfrage dem Bundesrat Gelegenheit geben, von sich aus die geschichtliche Aufarbeitung an die Hand zu nehmen respektive die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Geschichtsforschung zu setzen. Doch der Bundesrat hatte kein Interesse: «Die Fakten sind hinlänglich bekannt.» Er rechtfertigte sein früheres Handeln indessen nicht mehr durchwegs. Seine Begründung lautete, dass sich die Politik der unterlassenen Sanktionen auf neutralitätspolitische Überlegungen bezogen habe und dass sie sich im nachhinein als zwar aus der Zeit verständlich, aber als nicht weitsichtig erwiesen habe.

Privatarchive bleiben tabu
Weil der Bundesrat nicht bereit war, weitere Abklärungen zu ermöglichen, forderte ich 1998, mittels eines Bundesbeschlusses eine Fachgruppe analog zur Bergierkommission einzusetzen. Diese Kommission sollte es ermöglichen, das Verhältnis der Schweiz zum Apartheidregime historisch aufzuarbeiten. Denn nur mit einem Bundesbeschluss kann Zugang zu Archiven von Privaten wie etwa Banken oder anderen Wirtschaftsunternehmen verlangt werden.

1999 lehnte der Nationalrat diese Forderung ab, überwies aber immerhin ein Postulat, wonach der Bundesrat ersucht wird, beim Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen der nationalen Forschungsprogramme ein Projekt zu initiieren und zu finanzieren, das die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während der Apartheid untersucht. Ein erster Teilbericht wurde im vergangenen Oktober in Basel vorgestellt. Der Präsident der Forschungsgruppe, Georg Kreis, äusserte sich in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» im Juli dieses Jahres, dass er eine Kommission à la Bergier als sinnvoll erachte. Denn solange das Parlament keinen entsprechenden Bundesbeschluss fasst, bleiben die wichtigen Archive der Privaten verschlossen.

Auch der Bundesrat blieb nicht ganz untätig. Unter der Federführung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) wurde eine interdepartementale Gruppe eingesetzt. Der von ihr verfasste 120-seitige Bericht kam Ende Juli 1999 zum Schluss, dass die Schweizer Haltung während der Apartheid zu vorsichtig gewesen sei und sich heute nicht mehr rechtfertigen lasse.

Seit der Ablehnung meiner Parlamentarischen Initiative 1999 förderten verschiedene Medien immer wieder neue Fakten zutage, die bis anhin vertuscht worden waren. Etwa die Tatsache, dass ein Geheimabkommen zwischen dem südafrikanischen und dem schweizerischen Nachrichtendienst aus dem Jahr 1986 existierte oder dass Peter Regli, der frühere Schweizer Nachrichtendienstchef, bereits 1988 einen Besuch von Brigadier Wouter Basson, dem ehemaligen Generalstabsarzt der südafrikanischen Armee, organisiert hatte. Heute verdichten sich die Indizien für eine schweizerische Komplizenschaft mit Wouter Basson, der Südafrikas Schwarze bakteriologisch vernichten wollte.

Bundesrat Samuel Schmid leitete zum Kapitel der Zusammenarbeit der beiden Nachrichtendienste im Herbst 2001 eine Administrativuntersuchung ein. Der von Untersuchungsleiter Rainer J. Schweizer von der Universität St. Gallen Mitte Dezember veröffentlichte Bericht stellt fest, dass der Schweizer Nachrichtendienst mit seinen Kontakten zum Apartheid-Staat viel zu weit ging und sowohl die Neutralität als auch das Waffenembargo verletzte. Der Bundesrat sei sehr wohl über die Kontakte des Nachrichtendienstes informiert gewesen. Der Bericht bringt neue Tatsachen ans Licht, wirft aber auch neue Fragen auf. Die Zusammenarbeit mit dem Unrechtsstaat muss vollumfänglich geklärt werden.

Bundesanwaltschaft ermittelt
Auch die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat wurden durch immer neue Fakten in den Medien aufgerüttelt. Sie beauftragten eine Delegation, den 1999 veröffentlichten Bericht zu den Beziehungen des schweizerischen Nachrichtendienstes zu Südafrika zu ergänzen. Damals hatten sie den Geheimdienst weitgehend entlastet und Peter Regli reingewaschen.

Unterdessen hat sich der Verdacht erhärtet, dass der Delegation verwaltungsintern zentrale Informationen über die Nachrichtenbeziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika vorenthalten worden waren. Parallel dazu ermittelt die Bundesanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Bundeskriminalpolizei gegen unbekannt zur Klärung möglicher strafrechtlich relevanter nachrichtendienstlicher Delikte zwischen der Schweiz und Südafrika. Dabei geht es um die Klärung von Spionage sowie den Verdacht auf illegale Exportgeschäfte.

Endlich volle Transparenz
All die genannten Ermittlungen, Untersuchungen und Forschungsarbeiten werden zu mehr Transparenz beitragen. Sie genügen aber nicht. Denn solange es nicht möglich ist, in Archiven der Banken und der Wirtschaft zu forschen, bleibt zu vieles im Dunkeln. Der zunehmende Druck von aussen wird der Schweiz schaden.

Bis zur Behandlung meines Vorstosses in der Rechtskommission glaubte ich noch, dass das Anliegen im Nationalrat mehr Chancen habe, angenommen zu werden, als der erste Anlauf 1999. Mein Vorstoss wurde denn auch unter anderen von FDP-Nationalrat Fulvio Pelli und der CVP-Vizepräsidentin Doris Leuthard unterzeichnet. Frau Leuthard, Präsidentin Aktionsrat Fastenopfer und Verwaltungsrätin in der Neuen Aargauer Bank, ist von ihrer ursprünglichen Unterstützung jedoch abgekommen und stimmte im November in der Rechtskommission, wie alle anderen Bürgerlichen, gegen meine Initiative. Die «Bearbeitung» durch die Wirtschaftsförderung tat ihre Wirkung. Im Nationalrat wird dieser Vorstoss in der Märzsession traktandiert werden.

Druck von Kirche steigt
Vor ziemlich genau einem Jahr hat auch der Evangelische Kirchenbund klar Stellung genommen. «Wir können nur Klarheit schaffen, wenn auch die Archive der Banken und Unternehmungen geöffnet werden», meinte Kirchenbundspräsident Thomas Wipf. Ähnlich tönte es von der Bischofskonferenz. Vor wenigen Wochen schliesslich haben engagierte Christinnen und Christen aus der Schweiz, die sich schon in den Siebziger- und Achtzigerjahren gegen die Apartheid engagiert hatten, ein Manifest verfasst. Die zentrale Passage sollte sich die offizielle Schweiz zu Herzen nehmen:

«Wir verlangen, dass:
  • die Archive der betroffenen Banken, Firmen und eidgenössischen Departemente geöffnet werden und die Mitverantwortung an den Menschenrechtsverletzungen der Apartheidszeit übernommen wird;
  • Höhe und Modalitäten von Entschädigungszahlungen auf einer internationalen Konferenz verhandelt werden;
  • die Schulden Südafrikas wie der mitgeschädigten Frontstaaten aus der Zeit der Apartheid gestrichen werden.
Wir sind überzeugt, dass Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika den Weg in die Zukunft öffnen. So werden Verständigung und friedliches Zusammenleben im Inneren dieser Länder und zwischen ihnen und den Ländern des Nordens möglich. Eine gerechtere Form des wirtschaftlichen Austausches kann die Folge davon sein.»


An einer Tagung im Schloss Wartensee anfangs Dezember gaben die anwesenden Vertreter der offiziellen Kirchen zu verstehen, dass sie das Anliegen meiner Parlamentarischen Initiative unterstützen. Ich bin gespannt, ob diejenigen Nationalrätinnen und Nationalräte, die sich bei Gelegenheit als kirchenzugehörig bezeichnen, bei der Abstimmung der Empfehlung der Kirchen oder derjenigen von Economie Suisse folgen. Ob der Mammon über die Ethik siegt, wird sich im Nationalrat im März 2003 zeigen.  
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